Mahd im Naturschutzgebiet

Ab dem 15. Juni ist nach § 3 (2) der Verordnung des Naturschutzgebiets (NSG) „Täler der Ill und ihrer Nebenbäche” in den bewirtschafteten Grünländern die erste von maximal zwei Mahden möglich. Grundsätzlich ist die Mahd im NSG nicht nur „geduldet”, sondern notwendig. Ohne jegliche Bewirtschaftung würde sich auf fast jeder Fläche ein standorttypischer Wald entwickeln, viele geschützte Biotoptypen sind jedoch durch historische Landnutzung entstanden. Durch die Entnahme des Mähgutes und das gleichzeitige, weitreichende Düngverbot (§ 3 (3) „Düngung darf nur nach dem Entzug durch Ernte unter Verzicht auf Gülle, Klärschlamm und Stickstoff in mineralischer Form erfolgen.”) im NSG werden die Standorte ausgemagert. Dies kommt vielen gefährdeten Arten zugute, die ansonsten in der heutigen Kulturlandschaft selten geworden sind. Nicht nur durch diese zeitliche Beschränkung und das Düngverbot sollen die NSG-Flächen einen Gegensatz zu den intensiv bewirtschafteten Grünländern außerhalb darstellen und weitere Aspekte sind zu berücksichtigen  – neben dem völligen Bewirtschaftungsverbot im 5 m breiten Gewässerrandstreifen bzw. sogar 10 m an der Ill ab der Illbrücke der Landstraße 112 in Illingen-Wustweiler (§ 3 (5) „Gewässerrandstreifen dürfen in einer Breite von mindestens 5 m, an der Ill ab der Illbrücke der Landstraße 112 in Illingen-Wustweiler 10 m je Ufer nicht genutzt werden.”). Dies soll die Entwicklung eines natürlichen Gehölzsaumes aus Weiden, Erlen und Eschen dienen, der auch der Uferbefestigung und dem Hochwasserschutz dient. Bemessen wird der Gewässerrandstreifen übrigens nach §38 des Wasserhaushaltsgesetzes „…ab der Linie des Mittelwasserstandes, bei Gewässern mit ausgeprägter Böschungsoberkante ab der Böschungsoberkante.”

Die Fotos zeigen eine vorbildliche Mahd mit Mähbalken, Schnitthöhe 12 cm, Ende Juni auf einer Fläche im NSG. Im Vordergrund ist zudem ein ca. 3 m breiter Altgrasstreifen am Flächenrand zu sehen, welcher erst beim zweiten Schnitt mitgenommen wird.

Weitere Empfehlungen für eine naturschutzkonforme Mahd

Die nachfolgenden Angaben beziehen sich hauptsächlich auf zwei Literaturauswertungen (Maier 2016; van de Poel & Zeem 2014).

Altgrasstreifen bzw. –flächen belassen
Diese dienen den Kleintieren in der Wiese als Refugium und zudem haben Arten in diesem Zeit zum Schlupf (z.B. bestimmte Tagfalter) bzw. Aussamen (spätblühende Pflanzen). Der Pflege- und Entwicklungsplan des NSG, welcher gleichzeitig auch die grundlegende Vorlage zum Managementplan für das fast flächengleiche Natura 2000-Gebiet darstellt, benennt zum Schutz wertgebender Arten wie dem Großen Feuerfalter (Lycaena dispar) in manchen Gebieten mind. 5% Altgrasfläche bei Mahd und Beweidung zu belassen (Ministerium für Umwelt- und Verbraucherschutz 2019). Je nach Autor von speziellen Fachstudien sollten 5% bis sogar 20% der Parzellen als Refugium belassen werden (siehe Übersicht bei Maier 2016). Alternativ zu Altgrasstreifen am Flächenrand ist auch die Aussparung von gleichgroßen zusammenhängenden Flächen möglich, wobei die Grenzlinie zu dieser Fläche und der gemähten möglichst lang sein sollte und von außen an die Fläche herangemäht werden soll, damit die Tiere in diese fliehen können (Prochnow & Meierhöfer 2003). Des Weiteren ist bei großen Flächen (≥ 1 ha) auch eine „Mosaikmahd” bzw. „Rotationsmahd” in Betracht zu ziehen. Die Refugien werden hier sogar ein gesamtes Jahr von der Mahd ausgespart und im Folgejahr wird der brachliegende Streifen verschoben bzw. an die Ausgangsposition zurückgesetzt (Gigon et al. 2010).

Balkenmäher verwenden
Grundsätzlich kann man technisch zwischen normalem „Schneiden” (Fingerbalken- oder Doppelmessermähwerke oder auch die historische Sensenmahd)  und „Rotationstechniken” bei der Mahd (Trommel-, Scheiben-, Kreiselmähwerke, wahlweise mit „Aufbereiter” oder Mulcher mit automatischer Mähgutzerkleinerung) unterscheiden (van de Poel & Zeem 2014). Die Mahd mit einem Balkenmähwerk hat den grundsätzlichen großen Vorteil, dass Kleintiere weitaus weniger geschädigt werden als durch den Einsatz von etwa Kreiselmähern. Mähbalken haben sich in zahlreichen Untersuchungen als für die Fauna schonendste Mahdvariante herausgestellt (siehe van de Poel & Zeem 2014). So hat z.B. eine spezielle Studie gezeigt, dass von vor der Mahd markierten Heuschrecken 9% durch den Balkenmäher geschädigt wurden, jedoch 21% beim Einsatz eines Kreiselmähers ohne Aufbereiter und sogar 34% beim Einsatz eines Kreiselmähers mit Aufbereiter (Oppermann & Krismann 2001).  Aufbereiter sind Maschinen, welche das Mähgut direkt nach dem Schnitt knicken oder quetschen, um den Trocknungsprozess zu beschleunigen (van de Poel & Zehm 2014). Noch verheerender für Heuschrecken ist der Einsatz eines Mulchers, der nach Licht (1993) selbst im Vergleich zum Kreiselmäher viermal mehr Tiere tötet. Carius et al. (2010) sehen jedoch eine vergleichbare Schädlichkeit von Mulcher und Kreiselmäher (die Anzahl schwer verletzter oder toter Heuschrecken lag hier zwischen 25% und 40%).
Allgemein steigt die Sterberate der Tierarten mit der Körpergröße und Empfindlichkeit des Körpers und sinkt mit zunehmender Mobilität (Humbert et al. 2010). Raupen von Schmetterlingen sind sehr gefährdet.


Aus der Abbildung (nachgezeichnet aus Löbbert et al. 1994) ist ersichtlich, dass in 5-10 cm ausgebrachte „Raupenattrappen” durch den Balkenmäher am wenigsten geschädigt wurden. Das  Scheibenmähwerk zerstörte ca. ein Viertel der Attrappen; am verheerendsten erwies sich das Mulchen. Humbert et al. (2010) zeigten zudem, dass der Einsatz eines Aufbereiters die Schädigungsrate an Raupen nahezu verdoppelt.

Noch schlimmer als wirbellose Tiere wie Heuschrecken und Schmetterlinge trifft die Mahd größere Wirbeltiere, etwa Amphibien, die sich in feuchten Wiesen aufhalten. Über die Hälfte der Tiere überlebte z.B. eine Mahd mit Kreiselmäher mit Aufbereiter nicht, beim Einsatz eines Balkenmähers konnte die Verlustrate zumindest auf 21% gesenkt werden (Oppermann & Krismann 2001). In einer Studie von Grendelmeier (2011) hatten über die Hälfte der Attrappen junger Feldhasen Schnittverletzungen beim Einsatz eines Balkenmähers und ca. Dreiviertel beim Einsatz eins Scheibenmähers.

In dieser Übersicht (nachgezeichnet aus van de Poel & Zeem 2014) wird die relative Schädlichkeit von verschiedenen Mähmethoden auf die Fauna allgemein zusammengefasst (von oben nach unten wird die Mähmethode für die Fauna immer schädlicher).


Hohe Schnitthöhe einstellen

Allgemein kann bezüglich der Schnitthöhe ausgesagt werden, dass je tiefer die Mahd desto stärker ist die Schädigung. Verschiedene Autoren geben eine Höhe von 10 besser 12 cm an, ab welcher die Verletzung von Kleintieren deutlich gesenkt werden kann. Z.B. verursachte ein Trommelmäher mit einer Arbeitshöhe von 7 bis 8 cm durchschnittlich 27% Verlust bei Amphibien auf einer Wiese, während bei 10 cm noch 19% und bei 12 cm nur noch 5% schwer verletzt bzw. getötet wurden (van der Poel & Zehm 2014, Maier 2016).

Fahrmuster anpassen

Letztlich kann auch durch das Fahrmuster bei der Mahd eine Flucht von Tieren aus der Fläche verbessert werden. Die Abbildung (nachgezeichnet aus Prochnow & Meierhöfer 2003) zeigt schematisch zwei Beispiele (Kreismahd und streifenförmige Mahd), welche eine Flucht der Tiere aus der Fläche vereinfachen. Zusätzlich kann (evtl. zusammen mit oder durch den lokalen Jagdpächter) vor der Mahd die Fläche aktiv nach Jungtieren (Rehkitze, Junghasen) abgesucht werden.

Verwendete Referenzen

Carius, W et al. 2010. Effizienzsteigerung von Grünlandsubstraten in der Biogasgewinnung unter Berücksichtigung naturschutzfachlicher Belange. Schlussbericht des BMU-geförderten Projektes „Grünland“ FKZ 03KB029 (Link)

Gigon, A. et al. 2010. Praxisorientierte Empfehlung für die Erhaltung der Insekten- und Pflanzen-vielfalt mit Ried-Rotationsbrachen. ART-Bericht 721, 1-12 (Link)

Grendelmeier, B. 2011. Entwicklung einer junghasenschonenden Mähmethode. Bachelorarbeit Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften: 38 S.

Humbert, J.-Y. 2010. Wiesen-Ernteprozesse und ihre Wirkung auf die Fauna. ART-Bericht 724, 1-12 (Link)

Licht, T. 1993. Grünflächenpflege  und  Heuschreckenpopulationen. Das Gartenamt 3, 179-183

Löbbert ,M. et al. 1994. Einfluss von Mäh- und Mulchgeräten auf die bodennahe Fauna. Forschungsbericht „Integrative Extensivierungs- und Naturschutzstrategien“ 15, 7-26

Maier, C. 2016. Mähtechniken – Auswirkungen auf die Fauna – Literaturauswertung. Vortrag an der Landesanstalt für Entwicklung der Landwirtschaft und der ländlichen Räume, Baden-Württemberg, Schwäbisch Gmünd. (Link)

Ministerium für Umwelt und Verbraucherschutz. 2019. Verpflichtende Erhaltungsmaßnahmen –Deckblatt zum PEPL „Gewässerrandstreifen Ill“ – zugleich Erstfassung des Natura 2000-Managementplans(MaP) zum Gebiet 6508-301„Naturschutzgroßvorhaben Ill“.  (Link)

Oppermann, R. & Krismann, A. 2001. Naturverträgliche Mähtechnik und Populationssicherung. BfN-Skripten 54. Bundesamt für Naturschutz, Bonn

Prochnow, A. & Meierhöfer, J. 2003. Befahrmuster bei der Grünlandmahd: Faunaschonung und Aufwendungen. Agrartechnische Forschung  9, 36-43 (Link)

Van de Poel, D. & Zehm A. 2014. Die Wirkung des Mähens auf die Fauna der Wiesen – Eine Literaturauswertung für den Naturschutz. Anliegen Natur 36, 36-51 (Link)


Veröffentlicht am 07.07.2020

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